Sir Peter Ustinov Stiftung: Pressemitteilung

Von Kindern, Welten, Kulturen, Brückenbauern und vom Glück

01.11.2021

Im Gespräch mit Ali Taşbaşı, Vorstand der Peter Ustinov Stiftung seit dem 1. Januar 2021

Frankfurt, November 2021 – Die Peter Ustinov Stiftung in Frankfurt am Main wurde durch den Filmstar Sir Peter Ustinov († 2004) und seinen Sohn Igor gegründet. Ihr Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen über den Zugang zu Bildung und Kreativität die Chance auf eine eigenständige und optimisti­sche Zukunft zu geben – unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder ihrem sozialen Hintergrund. Seit Anfang 2021 leitet Ali Taşbaşı als Vorstand die Stif­tung. Im Gespräch erläutert er seine Rezeption Sir Peter Ustinovs, die Herausforderungen seines neuen Amts, wie seine kulturelle und berufliche Herkunft neue Chancen der Weiter­entwicklung der Stiftung eröffnen und wo in der Stiftungsarbeit ganz unverhofft das Glück auftaucht.

Download: Interview Ali Taşbaşı

Wo sehen Sie die Chancen und Herausforderungen als neuer Vorstand?

Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Themen ist mir nicht neu. Dennoch ist sie in dieser Intensität eine neue und willkommene Herausforderung. Es ist mir ein besonderes Anliegen, die Stiftungsarbeit wieder auf ihre Kernziele zu fokussieren, nämlich Kindern in sozialer, körperlicher oder seelischer Not zu helfen sowie Bildungsge­rechtigkeit durch Chancengleichheit zu ermöglichen. Hierzu gehört auch die Revision des Hilfsprojekte-Portfolios und dessen Schärfung auf diese Ziele hin. Gleichzeitig sehe ich, wie mit der Zeit der Bekanntheitsgrad Sir Peter Ustinovs abnimmt und damit auch seiner Stiftung. Ganz im Sinne von „Tue Gutes und rede darüber“ möchte ich aktiv die Außenwir­kung der Peter Ustinov Stiftung verstärken und sie auch für eine jüngere Öffentlichkeit sichtbar machen – was wiederum den vielen Kindern in den Hilfsprojekten zugutekommen wird. Rund 4.200 Kinder an sieben öffentlichen Schulen in Deutschland wissen von dem humanitären Engagement Sir Peter Ustinovs, denn ihre Schulen sind nach ihm benannt. Natürlich müssen wir das öffentliche Interesse erhöhen, insbesondere die sozialen Medien spielen hier eine zentrale Rolle, wie auch die Digitalisierung als Teil des großen Bildungs­auftrags, dem auch die Peter Ustinov Stiftung folgt.

Als Unternehmensberater kommen Sie aus der Welt des Investmentbankings. Emp­finden Sie die Welten des Finanzsektors und der Gemeinnützigkeit als Widerspruch?

Das Vorstandsamt ehrt mich sehr. Vor allem, weil ich von Sir Peter Ustinovs Sohn, dem Stif­tungsratsvorsitzenden Igor Ustinov, gebeten wurde, den Vorstand zu verstärken. Dennoch habe ich das Angebot, im Bewusstsein der großen Verantwortung als Vorstand, erst nach einer längeren Bedenkzeit angenommen. Schließlich bin ich auch als Gesellschafter und Geschäftsführer der Roots Advisory GmbH tätig, ein Corporate Finance Beratungshaus, insbesondere für familiengeführte Unternehmen. Die Arbeit im Finanzsektor kontrastiert mit der Stiftungsarbeit: sie ist leistungsbetonter und führt eine schnellere Gangart. In der Stiftung folgen wir einem anderen Rhythmus. In diesem Widerspruch steckt ein großes synergetisches Potenzial. Bildung und Weiterbildung ist ein wichtiges Thema in allen Hilfsprojekten der Stiftung. Auch im Team selbst ist die Offenheit groß, Neues zu entdecken und sich weiterzuentwickeln. Darüber hinaus hoffe ich, die Stiftung auch durch mein eigenes Netzwerk voranzutreiben.

Wie würden Sie die Stifterpersönlichkeit Sir Peter Ustinov beschreiben?

Trotz seiner Prominenz war er ein bodenständiger und reflektierter Mensch. Er hat den Be­zug zur Realität, aber auch die kindliche Freude am Leben nie verloren. Für Tatsachen offen sein und sie wahrnehmen, das ist die Basis, um konkrete Lösungen für soziale Un­gleichheit und Ungerechtigkeit zu finden. Das machte Sir Peter Ustinov als Persönlichkeit einmalig und verleiht ihm selbst in der Erinnerung eine menschliche Tiefe. Es ist der Grund seines Engagements für Kinder. Die Kinder verkörpern die eigene Zukunft. Wie wichtig das bis heute noch ist, das hatte Sir Peter Ustinov sehr gut erkannt, heute vermisst man diesen Gedanken in der deutschen Kultur leider zunehmend. Besonders aktuell ist zudem sein Kampf gegen Vorurteile und Stereotypen. Bildung hilft, eine gemeinsame Sprache zu finden, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Demokratie war für ihn nicht nur ein abstrakter Begriff, er setzte sich tatkräftig für eine friedliches Miteinander weltweit ein. Bereits vor Gründung unserer Stiftung war er in der UN und später auch in der mit der UN verbundenen Kinderhilfsorganisation UNICEF aktiv.

Sie haben Politikwissenschaften an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität in Frankfurt studiert. Wie sehen Sie die Rolle der Peter Ustinov Stiftung in der heutigen politischen und gesellschaftlichen Situation?

Meine Studienschwerpunkte waren Internationale Beziehungen und Volkswirtschaftslehre. Ich halte die Werte unseres Namensgebers und seines Sohnes Igor Ustinov, unserem Stiftungsratsvorsitzenden, für zeitlos und ihre Einschätzung des Handlungsbedarfs ist scharfsinnig, präzise und vorausschauend. Die Werte von Demo­kratie, Frieden, Gerechtigkeit, Toleranz und Respekt sind sowohl politische wie auch ge­sellschaftliche Pfeiler eines friedlichen Zusammenlebens, für das auch ich mich einsetze. Deshalb ist es sehr wichtig für die Stiftung, sich aktiv zu positionieren und Stellung zu be­ziehen. Vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse müssen wir noch weitaus intensiver und sichtbarer unsere Position vertreten, als das in der Vergangenheit der Fall war!

Wo sehen Sie die Position der Stiftung in Frankfurt, aber auch innerhalb der Stif­tungslandschaft in Deutschland?

Die Stadt Frankfurt hat die höchste Dichte an Stiftungen deutschlandweit. Unser promi­nenter Namensgeber macht uns einmalig, ist aber auch eine Verpflichtung zu den humani­tären Werten, die er vertrat. Dies zeigt sich auch in den Hilfsprojekten, die wir fördern. Wir sind keine große Stiftung, agieren aber weltweit. Mein Ziel ist es, diesem Weg weiter zu folgen, jedoch die Projektaktivitäten und auch das Projektportfolio der Stiftung zu ver­stärken. Übrigens sind wir sehr stolz, dass der Frankfurter Oberbürgermeister, Peter Feldmann, es sich nicht nehmen ließ, uns zum des 100. Geburtstag Sir Peter Ustinovs eine persönliche Gratulation zu senden.

Vorurteile und Diskriminierung abzubauen ist ein Ziel der Peter Ustinov Stiftung. Welches Vorurteil stört Sie am meisten?

Sir Peter Ustinov wird oft auch als „Brückenbauer“ bezeichnet. Dies sehe ich nach wie vor auch als Aufgabe der Ustinov Stiftung, den verschiedenen Generationen, Kulturen und Nationalitäten Wege zueinander aufzuzeigen. Als Stiftung im Rhein-Main-Gebiet fühlen wir uns der kulturellen Vielfalt und dem Geist der Toleranz verpflichtet. Ich sehe es als Auftrag, die Ge­sellschaft noch viel mehr auf diese Problematik zu sensibilisieren. Über 40 Prozent der Frankfurter Bevölkerung haben heute einen Migrationshintergrund, bis in die vierte Generation. Das häufigste Herkunftsland ist die Türkei, aus der auch meine Familie stammt. In dieser internationalen Stadt zu leben und arbeiten, macht mich aber auch stolz. Es hat alles seine Licht- und Schattenseiten. Neben Diskriminierung sehe ich auch Erfolgsgeschichten, die ebenso Aufmerksamkeit und Anerkennung verdienen. Integration, Chancengleichheit und gegenseitigen Respekt auch lokal verstärkt zu fördern, dies wäre sicher auch im Sinne des Stifters Sir Peter Ustinov gewesen.

Chancengleichheit und der Zugang zu Bildung für alle Kinder weltweit ist eines der Ziele der Peter Ustinov Stiftung. Wie beurteilen Sie die aktuelle Bildungssituation?

In Deutschland hat die Coronasituation den bereits bestehenden Bildungswettbewerb verschärft. Deshalb ist die Zielsetzung der Chancengleichheit aktueller denn je. Deutsch­land ist eigentlich, auch im Europäischen Vergleich, ein reiches Land, quasi die wirtschaftli­che Lokomotive, investierte aber in der Vergangenheit aber viel zu wenig in die Bildungsarbeit. Es wird immer nur auf Miss­stände, zum Beispiel im Bereich Digitalisierung und digitales Lernen, reagiert. Es gibt hier verschwindend wenige Initiativen. Dies zu ändern und darauf aufmerksam zu machen ist eine der zentralen Herausforderungen der Stiftung. Bildungsgerechtigkeit weltweit zu schaffen, sollte jedoch nicht nur die Aufgabe gemeinnütziger Organisationen sein, son­dern ist eine gesamtpolitische Aufgabe. Hier hoffen wir, weiter zu sensibilisieren.

In welches Land, in dem die Hilfsprojekte der Stiftung zu finden sind, würden Sie am liebsten reisen?

Wir bekamen kürzlich, anlässlich des 100. Geburtstags unseres Stifters Sir Peter Ustinov, ein großes traditionelles Glückwunschbild auf Leinwand, ähnlich einem großen Thangka, aus Bhutan zugesendet. In dieses Land, in dem es ein „Bruttosozialglück“ gibt, will ich so bald wie möglich reisen und unser Förderprojekt vor Ort besuchen. Eines von vielen beispiellosen Projekte, die unsere Stiftung seit langer Zeit unterstützt.